Wirtschaftsmediation
Mediation in der Wirtschaft ist geeignet für Konflikte zwischen Unternehmen, Konflikte zwischen Gesellschaftern (Gesellschafterentscheidungen, Auseinandersetzung, Unternehmensnachfolgen…) oder bei Problemen zwischen großen Abteilungen eines Unternehmens (z.B. Produktion und Vertrieb, Zentrale und Niederlassung…). Wirtschaftsmediation findet auch in Unternehmen selbst statt, z.B. in Form eines eigenen Konfliktmanagements. Mediation wird als Serviceleistung auch zur Streitbeilegung in Kunden- oder Unternehmensbeziehungen eingesetzt, wenn es gilt möglichst schnell, wirkungsvoll und schonend vorzugehen. Weitere Informationen zu innerbetrieblichen Konflikten finden Sie unter Arbeit.
Klassische Konfliktverläufe enden oft im Rechtsstreit. Der Ausgang ist unsicher, das Verfahren ist teuer und bewirkt wirtschaftlich nachteilige Zeitverluste. Häufig wollen die Beteiligten auch in Zukunft zusammen Geschäfte machen. Mediation ermöglicht eine frühzeitige, schnelle und gute Unterstützung im Konflikt. Sie verschafft schnell Luft für ein konstruktives Herangehen. Das spart Zeit, Geld, Nerven und vermeidet Verluste bei Kunden und Lieferanten. Wirtschaftlich wichtige Beziehungen bleiben erhalten und werden sogar gestärkt.
In der internationalen Zusammenarbeit wird das Verständnis für kulturelle Verschiedenheiten gefördert.
Langzeitwirkungen einer Mediation sind häufig verbesserte Motivation der Akteure, Stärkung der Zusammenarbeit, bessere Identifikation mit den Ergebnissen der Konfliktlösung, dauerhafte Qualitätsverbesserungen, schonender Einsatz von Ressourcen und längerfristige Kostenminimierungen durch Vermeidung von Reibungsverlusten.
Man kann unterscheiden zwischen:
-
Konflikte zwischen Personen/Unternehmen/Betrieben
-
Konflikte im Unternehmen
zu 1: Konflikte zwischen Personen/Unternehmen/Betrieben
Konfliktregelungsformen
bei Wirtschaftskonflikten zwischen Personen/Unternehmen/Betrieben
In Besinnung auf die Wege der Konfliktbewältigung stehen zwei Modelle ganz im Vordergrund: das Delegationssystem Recht und das Konsenssystem.
Beide Systeme schlagen sich auch in der institutionellen Ausformung herkömmlicher und moderner Konfliktregelungsinstrumente nieder. Das wird sichtbar durch die nachfolgende Abbildung:
Erläuterung der Konfliktregelungsformen
Verhandlungen
Die weitaus größte Zahl (auch rechtlich relevanter Konflikte) wird unmittelbar zwischen den Konfliktpartnern, zum Teil mit anwaltschaftlicher Hilfe, geregelt.
Mediation
Mediation ist das Verfahren, das genutzt werden kann, wenn die Konfliktpartner eigentlich den Konflikt selbst lösen wollen, hierzu aber eine Hilfestellung brauchen.
Cooperative Praxis (engl.: collaborative practice/law)
Cooperative Praxis (www.cooperative-praxis.de ist im Verhältnis zur Mediation dann am Platze, wenn die Parteien vor den eigentlichen Verhandlungen untereinander eine Klärung brauchen und in der Verhandlung selbst Fürsprecher an ihrer Seite. Diese Aufgabe wird von eigens hierfür ausgebildeten Anwälten und/oder Coaches wahrgenommen. Die Besonderheit der Cooperativen Praxis im Unterschied zu den herkömmlichen anwaltschaftlichen Verhandlungen liegt darin, dass die volle Energie auf Einigung ausgerichtet ist und deshalb die analytisch rechtliche Betrachtungsweise in den Hintergrund tritt. Im Vordergrund steht die interesseorientierte Zukunftslösung. Deshalb sind Anwälte und Coaches, wenn die Cooperative Praxis nicht zur Einigung führt, anschließend vereinbarungsgemäß gesperrt. Cooperative Praxis baut im Ablauf und von seinem Wesen her auf der Mediation auf. Unterschiedlich sind die Rollen der Beteiligten und der Ablauf, also die Choreographie.
ADR-Verfahren (Alternative Dispute Resolution)
sind vor allen in den USA von den Gerichten bei der Abgabe an Dritte zur Entlastung der Gerichte entwickelt worden. Im Vordergrund stehen Formen der neutralen Evaluation, teilweise gemischt mit bestimmten prozeduralen Verfahrensweisen.
- Med-Arb und Arb-Med
Die Mischverfahren Med-Arb und Arb-Med (mediation-arbitration/Mediation – Schiedsgerichtsbarkeit) haben großen Ähnlichkeit mit herkömmlichen gerichtlichen Vergleichsverhandlungen mit mediativen Elementen. Weil immer damit gerechnet werden muss, dass es zu einer rechtlich begründeten Entscheidung kommt, müssen sich die Parteien in der Verhandlung „rechtspositionsfähig“ halten. Sie werden also vermeiden, etwas offen zu legen, was sie bei einer rechtlichen Entscheidung schwächen könnte. - Minitrial
Beim Minitrial wird zwischenzeitlich eine neutrale Evaluation eingeschaltet, häufig rechtlicher Art, sodass die Unternehmensleitungen im Wissen um diese Information zukunftsorientierte Verhandlungen führen können. Es können auch zur Leitung der Verhandlung „Faciliators“, Konfliktmoderatoren oder Mediatoren eingesetzt werden. - Dispute Review Board mit Adjudication
Besondere Bedeutung haben Dispute Review Boards (also Konfliktkommissionen) erlangt, wenn schnelle Entscheidungen mit Hilfe einer Adjudikation gefällt werden müssen. Das ist beispielsweise notwendig bei Großbauvorhaben, die in ihren Gewerken terminlich aufeinander abgestimmt sind. Adjudikation meint, dass die Konfliktkommission vorläufige Entscheidungen trifft, die dann Bestand haben, wenn sie nicht innerhalb einer kurzen festgesetzten Frist angefochten werden. Adjudikation kann bei uns als Verfahrensform eigens vereinbart werden. - Neutrale Evaluation
schließt Beweisaufnahme mit ein. Sie können verwandt sein mit dem bei uns gebräuchlichen
Schiedsgutachten,
die ihrerseits rechtsverbindlich oder unverbindlich ausgearbeitet werden können. Meist wird die unverbindliche Form gewählt, die aber in Folge der Autorität des Schiedsgutachters häufig die entscheidende Orientierung gibt.
Schlichtungsmodelle
Schlichtungsmodelle sind bei uns in unterschiedlicher Form gebräuchlich. Sie sind, im Unterschied zur Mediation, dadurch gekennzeichnet, dass sie einen (nicht verbindlichen) autoritativen Vorschlag zur Lösung des Konfliktes beinhalten.
Bei den Schlichtungsmodellen kann man 4 verschiedene Formen unterscheiden, nämlich
- den Mandatstyp
- den Partnerschaftstyp
- den Verbraucherschutztyp und
- den Zunfttyp.
Mandatstyp:
- 15 a EGZPO, Gütestelen (Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Hessen, Saarland, Schleswig-Holstein)
- Schiedsamt (zwölf von sechzehn Bundesländern, Ausnahmen: Bayern, Baden-Württemberg, Bremen und Hamburg)
- ÖRA Hamburg und Lübeck, Arbeiterkammer und Angestelltenkammer in Bremen, Arbeiterkammer in Saarbrücken
- Amtsgerichtliche Schlichtungsstellen in Bayern (München, Traunstein, Würzburg, Regensburg)
- Handwerkskammern bei Baustreitigkeiten in Frankfurt, Dortmund, Düsseldorf u. a. O.
- Notarielles Vermittlungsverfahren nach §§ 104, 87 ff. Sachen-R-BerG
- Einigungsverfahren nach § 305 I Nr. 1 InsO
Partnerschaftstyp:
- Mit Beteiligung der Verbände der jeweiligen Marktgegenseite (z. B. Mietervereine, Grundbesitzervereine bei Mietstreitigkeiten, so z. B. in Berlin, Dachau, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Saarbrücken)
- Schlichtungsausschüsse für Streitigkeiten aus Ausbildungsverhältnissen (§111 I ArbGG)
- Einigungsstellen gem. § 76 BetrVG
- Schlichtungsausschüsse bei IHKn z. B. in Augsburg, Düsseldorf, Hamburg, z. T. mit Mediation wie in München
Verbraucherschutztyp:
- Verbraucherzentralen öffentlich bezuschusst, mit Rechtsberatungserlaubnis seit 1980
- 750 Schuldnerberatungsstellen
Zunfttyp:
- Streitigkeiten unter Anwälten und zwischen Anwälten und Mandanten nach § 73 Abs. 2 Nr. 3 BRAO
- Ombudsmann für Streitigkeiten mit Anwälten, bei der BRAK
- Schlichtungsstelle der Deutschen Bundesbank (§14 UklaG) Ombudsmann der Banken und Sparkassen; Ombudsmann für die Versicherungswirtschaft
- Vermittlung mit Hilfe von Gutachterausschüssen der Ärzte-, Zahnärzte-, Tierärzte-, Apotheker und Architektenkammer
- Schlichtungsstellen der Handwerkskammern z. B. für KFZ-Gewerbe (Handel und Handwerk) sowie Schiedsstellen der Radio- und Fernsehtechniker, der Textilreinigungen, des Gebrauchtwarenhandels, des Abschleppverbandes. Ferner Personenfernverkehr beim VCD, Telefondienste bei der Bundesnetzagentur, Reiseschiedsstelle f. Online-Reisen
- Schlichtungsstellen bei IHK gem. § 27a UWG
Typische Fallkonstellationen
Konflikte…
… auf der Führungsebene von Unternehmen
- bei Gründung, Umwandlung, Auseinandersetzung von Gesellschaften, Sozietäten, Praxisgemeinschaften
- zwischen Gesellschaftern, z. B. über Fragen der Führung, der Organisationsstrukturen oder Zukunftsstrategien
- insbesondere zwischen Personen auf der Führungsebene anlässlich der Veränderung in den Organisationsstrukturen des Unternehmens (Mediation als Verfahrensform für Organisationsentwicklung)
… bei Fusionen
- z. B.: wer bleibt, wer scheidet aus; Veränderung der Organisationsstrukturen, interkulturelle Mediation innerhalb neu gebildeter Abteilungen oder Einheiten; interkulturelle Konflikte, insbesondere bei Joint ventures oder im Gefüge internationaler Konzerne
… bei (drohenden) Insolvenzen
- bei der Schaffung neuer Organisationsstrukturen und personeller Veränderungen
… bei der Unternehmensnachfolge/beim Inhaberwechsel
- speziell bezogen auf die Gestaltung neuer gesellschaftsrechtlicher, personeller und struktureller Bezüge unter Einschluss steuerrechtlicher und erbrechtlicher Aspekte
- Mediation insofern auch als Koordinationsinstrument
- Unternehmensnachfolge insbesondere bei Familienunternehmen, hier unter Einschluss des Verhältnisses gegenüber den weichenden Erben
… bei Vertragsverletzungen zwischen Unternehmen
- z. B. zwischen Hersteller- und Zulieferfirma
- oder zwischen Hersteller- und Vertriebsfirma
… bei Vertragsverletzungen oder deliktischen Handlungen von Personen oder Unternehmen
- die herkömmlicherweise als zivilrechtliche, insbesondere handelsrechtliche Streitigkeiten vor Gericht ausgetragen werden
- bei Vertragsverletzungen oder deliktischen Handlungen in grenzüberschreitenden Fällen im Rahmen der EU oder im globalen Bereich
… bei Nachverhandlungen im Falle langdauernder Verträge infolge veränderter Umstände am Bau
- zwischen Bauunternehmen und Bauherrrn
- zwischen Bauunternehmer, Subunternehmer, Statiker und Architekt für die Haftung von Schäden
… bei Großprojekten
- z. B. beim Bau von Kraftwerken, Staudämmen, Hochhäusern, Sportanlagen im Zusammenspiel der notwendig am Bau beteiligten Gewerke
… im EDV-Bereich
- insbesondere zwischen Hersteller-, Vertriebs- und Anwenderfirmen
- bei der Wahrnehmung von Patenten und Urheberrechten
- z. B. zwischen dem geistigen Urheber und den die Nutzungsrechte ausübenden Verlag
- oder unter Verlagen
… im künstlerischen Bereich
- z. B. im Theater, in der Filmwirtschaft, im Musikbereich
- bei anderen Branchen
zu 2: Konflikte im Unternehmen
Betriebsinterne Verfahren
Die Unternehmen haben eine Vielzahl von Instrumenten entwickelt, um innerbetrieblich Konflikte zu regeln. Unterscheiden kann man hier vor allem betriebsinterne Verfahren und die externe Beiziehung von Fachkräften und ein integriertes Konfliktmanagementsystem.
Konfliktregelungsinstrumente für interne Konflikte in Unternehmen
Erläuterungen zu betriebsinternen Verfahren
Viele Unternehmen nutzen heute Mitarbeitergespräche als Führungsinstrument zur Zieldefinition und für Feedback. Hier können gewiss methodisch Instrumente der Mediation eingesetzt werden. Sie spielen jedoch eine untergeordnete Rolle.
Interessant ist, dass praktisch alle anderen Formen der betriebsinternen Verfahren durch Mediation ersetzt oder mit Mediation oder der Verwendung mediativer Elemente innerhalb der bestehenden Strukturen gelöst werden können. In jedem Einzelfall kann hier überlegt werden, welches Instrument am besten passt.
Mediation kann insbesondere bei Konflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern eingesetzt werden, die andernfalls zur Kündigung führen und häufig ein arbeitsgerichtliches (Güte-)Verfahren nach sich ziehen. Betriebsräte und Leiter von Personalabteilungen nutzen zunehmend bei Konflikten, bei denen sie angerufen werden, Mediation oder mediative Elemente. Mediation hat sich auch bereits bewährt, um Einigungsstellen zu vermeiden. Es sind Fälle bekannt, in denen Mediation eigens eingeschaltet wurde zur Wiederherstellung einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeberseite und Betriebsrat.
Manche mittelständischen Firmen haben interne Konfliktlotsen geschult und eingesetzt.
Externe Beiziehung von Fachkräften
Konfliktregelungsintrumente für interne Konflikte in Unternehmen
Erläuterungen zur externen Beiziehung von Fachkräften
Bei der externen Beiziehung von Fachkräften steht Mediation als besondere Konfliktbearbeitungsform zur Unterscheidung von Konfliktmoderation, Coaching, Supervision, Teamentwicklung und Organisationsentwicklung, wobei die Konfliktmoderation das nächste Verwandtschaftsverhältnis aufweist.
Unter spezifischen Gesichtspunkten ist Mediation auch bereits als Organisationsentwicklung verwandt worden. Bei der Mediation wird immer wieder auch zu fragen sein, ob ein interner Mediator berufen wird, oder ob es notwendigerweise ein externer Mediator sein sollte.
Integrierte Konfliktmanagementsysteme
Mediation wird in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor in erster Linie fallbezogen eingesetzt.
Es sind jedoch bereits Ansätze erkennbar, ein integriertes Konfliktmanagement (gekennzeichnet auch als Konfliktmanagementsystem, KMS) einzusetzen. Dies ist eine Querschnittsaufgabe im Unternehmen. Die Stelle hat die Aufgabe, für den jeweiligen Konflikt das geeignete Verfahren auszuwählen und, falls Mediation als geeignet angesehen wird, einen qualifizierten internen oder externen Mediator vorzuschlagen.
Die Aufgabe bezieht sich sowohl auf Konflikte im Unternehmen als auch auf Konflikte zwischen Unternehmen bzw. Unternehmen und Personen. Von Motorola beispielsweise ist bekannt, dass die Einführung eines integrierten Konfliktmanagementsystems Kosten von jährlich $ 75 Mio eingespart hat. Mediation nimmt hierbei eine herausragende Rolle ein, weil es als Ziel oder Folge die Verbesserung der Kommunikation mit sich bringt. Mediation kann bei einem integrierten Konfliktmanagement die besondere Aufgabe zufallen, beim Konflikt, welches Instrument am ehesten eingesetzt werden sollte, zu vermitteln.
Nachdem es nun einen Round Table großer Industrieunternehmen in der BRD (E.ON Kernkraft, SAP, AUDI, Siemens, Deutsche Bahn, EnBW, Bayer, Frauenhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung, Bombardier Transportation, Deutsche Telekom, E-Plus-Gruppe u.a.) gibt, der sich regelmäßig zum Austausch über Mediation trifft, ist zu erwarten, dass integrierte Konfliktmanagementsysteme in Zukunft auch bei uns eingeführt werden.
Typische Fallkonstellationen
- Konflikte zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat
- Mediation insbesondere statt Anrufung einer Einigungsstelle bei mitbestimmungspflichtigen Regelungen, etwa auf der Entlohnungsebene, der Altersvorsorge oder sozialer Absicherungen
- Mediation zur Wiederherstellung der Kommunikation einer vom Betriebsverfassungsgesetz postulierten konstruktiven Zusammenarbeit (§ 74 Abs. 1, Satz 2, BetrVG)
- Konflikte zwischen Organisationseinheiten von Unternehmen, insbesondere bei gemeinsamen Projekten
- Konflikten zwischen Arbeitnehmern
- Teamkonflikte einschließlich Mobbing
- Konflikte bei der Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern im Falle von Diskriminierungsverboten
- Konflikte zwischen Geschäftsinhabern, der Geschäftsführung/der Geschäftsleitung/der Vorgesetzten einerseits und Arbeitnehmern andererseits einschließlich drohender oder vollzogener Kündigung