Überblick
Grundsätzliches zu Konfliktlösungswegen
Konflikte sind normal. Wir können ihnen letztlich nicht ausweichen, weil sie ihre Wurzeln in Spannungen und Widersprüchen haben, die das Leben ausmachen. Sie sind häufig Anzeichen für eine notwendige Veränderung und der Ruf nach einer neuen Balance.
Lassen wir Konflikten ihren Lauf, tragen sie die Gefahr in sich zu eskalieren bis hin zu der Stufe, selbst mit in den Abgrund gerissen zu werden, wenn nur der Gegner vernichtend geschlagen wird.
Entscheidend ist also, wie wir mit unseren Konflikten umgehen und welche Verfahrensformen uns hierfür zur Verfügung stehen.
Wege der Konfliktbewältigung
Für unseren demokratischen Rechtsstaat ist es kennzeichnend, dass wir uns an Gesetze halten und uns zu ihrer Durchsetzung der Dritten Gewalt – der Justiz – bedienen. Sie trägt entscheidend zum Rechtsfrieden in unserer Gesellschaft bei.
Das ist nicht selbstverständlich. Gäbe es das traditionelle Rechtssystem nicht, würde das Faustrecht gelten. Siegen und durchsetzen würde sich der Stärkere.
Mit dem Rechtssystem als Rückgriffsmöglichkeit ist allerdings Vielen daran gelegen, selbst den Konflikt in der Hand zu behalten und zu einem tragfähigen interessengerechten Konsens zu finden.
Man kann deshalb idealtypisch drei Systeme unterscheiden, wie Konflikte ausgetragen werden:
- durch Macht
- durch Delegation an das Recht und die rechtsprechende Gewalt
- durch Konsensfindung.
Bei der Konsensfindung haben sich methodisch zwei miteinander verwandte Verfahren herauskristallisiert: Mediation, die inzwischen weit verbreitet ist und Cooperative Praxis, die sich in München gerade entwickelt.
Macht – Gesetz
Der enorme zivilisatorische Fortschritt, der im Rechtssystem liegt, wird erkennbar, wenn man sich den Unterschied zum Machtsystem unter den Aspekten von Ergebnis, Maßstab, Weg und Unmittelbarkeit vergegenwärtigt:
- am Ende stehen nicht Sieg, Vernichtung, Unterwerfung oder ein labiles Gleichgewicht der Stärke bzw. des Schreckens, sondern der Rechtsspruch, das Urteil oder der Vergleich. Die Entscheidung, das Ergebnis, ist an den Richter delegiert.
- Es siegt nicht automatisch der Stärkere mit den besseren Waffen, die Entscheidung richtet sich vielmehr nach dem Gesetz, das den Schutz der Schwachen einschließt. Der Maßstab der Entscheidung ist damit inhaltlich an das Gesetz delegiert.
- Die Eingriffs- und Verteidigungsformen sind vom Weg her an die Verfahrensordnung delegiert, deren Einhaltung der Richter überwacht.
- Die Parteien stehen sich nicht unmittelbar als Feinde gegenüber, sondern können sich rechtskundiger Fürsprecher, also der Anwälte, bedienen. Über die Delegation der Vertretung durch Anwälte wird die Waffengleichheit vor dem Gesetz bewirkt.
Gesetz – Konsens
Das Rechtssystem ist insgesamt ein Delegationssystem. Die Entscheidung liegt nicht mehr persönlich bei den Beteiligten, sondern wird an das Gesetz, an den Richter, an den Anwalt als Vertreter der Betroffenen delegiert. Am Ende steht eine Entscheidung. Die Struktur entspricht deshalb einem Entweder/Oder.
Das Konsenssystem – Mediation und Cooperative Praxis sind die typische Formen dieses Systems – reicht von dem Gesetzessystem zentral ab:
- Am Ende steht nicht der Rechtsspruch, das Urteil, sondern die gemeinsame eigene Entscheidung der Konfliktpartner. Basis und Weg ist die Selbstverantwortung. Die gemeinsame Entscheidung mündet im Ergebnis in einer Einigung, häufig in einem rechtsverbindlichen Vertrag.
- Der Maßstab ist nicht mehr das Gesetz. Sie fußt zentral auf den individuellen zukunftsorientierten Interessen der Konfliktpartner. Es wird nach Lösungen gesucht, die ressourcenorientiert und synergetisch aufeinander abgestimmt sind. Gesucht wird nach doppelten Gewinnlösungen, nach wertschöpfenden Vereinbarungen.
- Der Weg zur Entscheidung schließt die Komplexität soweit als möglich ein. Emotionen werden nicht ausgeklammert, das unterschiedliche Gerechtigkeitsempfinden hat Wirkung.
- Insgesamt:
Die Kategorisierung von Entweder/Oder und Richtig und Falsch wird aufgelöst zugunsten einer Akzeptanz subjektiver Sichtweisen. Die Unterschiedlichkeit wird nicht eliminiert, sondern ist Grundlage der gemeinsam zu erarbeitenden Entscheidung. Was jedem zurecht zusteht, wird jedenfalls auch aus subjektiver Sicht bestimmt. Nicht die Vergangenheit, die Zukunftsinteressen eines jeden Einzelnen sind die entscheidenden Faktoren. Sie miteinander ausgewogen zu verknüpfen, ist das Ziel des Konsenses.